Umsetzungsradar zeigt Versäumnisse der Bundesländer bei Energietransformation
Durch die EU-Richtlinie RED III für den zügigen Ausbau erneuerbarer Energien bis zur europäischen Klimaneutralität wird ein wichtiger Stichtag für Österreich fällig: Jedes Bundesland muss per 21.Mai 2025 das Flächenpotential für Erneuerbare Energietechnologien erfasst haben, damit im Februar des kommenden Jahres Beschleunigungsgebiete für die rasche und entbürokratisierte Umsetzung von Erneuerbaren-Projekten ausgewiesen werden können. Ein vom Dachverband Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ) in Auftrag gegebenes juristisches Umsetzungsradar für die Bundesländer macht die Verzögerungen bei der Flächenerfassung sichtbar, doch darüber hinaus lassen starke Versäumnisse und neun verschiedene Umsetzungsweisen in den Bundesländern eine weitere Verkomplizierung von Genehmigungsverfahren und zusätzliche bürokratische Hürden befürchten.
„Die Analyse zeigt, dass Österreich noch einen weiten Weg vor sich hat, denn kein einziges Bundesland hat bisher die nötigen Flächen ausgewiesen. Derzeit entscheiden neun verschiedene Bundesländer über den Erfolg der Energietransformation des gesamten Landes. Viele davon zögern die Umsetzung der RED III-Maßnahmen hinaus und lassen wirkungsvolle Instrumente für die rechtzeitige Energietransformation liegen“, so Martina Prechtl-Grundnig, Geschäftsführerin des EEÖ.
Bund muss geradestehen, wenn Länder ihrer Verantwortung nicht nachkommen
Dabei betrifft die REDIII-Richtlinie viele Rechtsmaterien, die in die Kompetenz der Bundesländer fallen. Nur wenige Bundesgesetze sind betroffen. „Dadurch ergibt sich das für Österreich typische Muster“, so Florian Stangl, Experte für Energie- und Europarecht bei Niederhuber und Partner Rechtsanwälte: „Der Bund ist der EU gegenüber für die Umsetzung der Richtlinie verantwortlich, liefern müssen aber eigentlich die Länder. Doch das passiert nur vereinzelt, zu spät oder gar nicht“, so der Experte.
Oberösterreich hat bisher sogar nur Ausschlusszonen definiert, in denen keine Erneuerbare-Energie-Anlagen gebaut werden dürfen, trotz des hohen Energieverbrauchs an dem Industriestandort. „Es sieht zum Teil so aus, als ob manche Landesregierungen auf die EU-Vorgaben pfeifen, obwohl die Wirtschaft vor Ort davon jedenfalls stark profitieren würde“, so Prechtl-Grundnig vom EEÖ.
Wichtige Maßnahmen bereits seit Frühjahr 2024 fällig
Für Österreich ist die Umsetzung der RED III ein wesentlicher Prüfstein für das Gelingen der Energietransformation. Doch noch immer fehlt eine verbindliche Aufteilung des Ausbaubedarfs auf die Bundesländer auf Basis des Nationalen Energie- und Klimaplans (NEKP), damit eine gesamtösterreichische Zielerreichung Realität werden kann. „Wenn die Beiträge der Bundesländer nicht festgezurrt werden, dann befindet sich Österreich weiterhin im energiepolitischen Blindflug“, kritisiert Martina Prechtl-Grundnig. Auch bei den anderen Maßnahmen, welche die seit 20.November 2023 in Kraft getretene EU-Richtlinie enthält, besteht noch immer wesentlicher Handlungsbedarf.
Weder das „überragende öffentliche Interesse“ in Genehmigungsverfahren noch der One-Stop-Shop für effiziente Genehmigungsverfahren wurden bisher österreichweit umgesetzt. „Wichtige Meilensteine sind bereits seit Februar 2024 fällig geworden, doch bei keiner der Maßnahmen sind bereits alle Bundesländer ihrer Verpflichtung nachgekommen“, so Rechtsexperte Stangl.
Überragendes öffentliches Interesse mit Einschränkung, One-Stop-Shop bitte warten
Das Überragende Öffentliche Interesse in der RED III hält fest, dass der Ausbau Erneuerbarer Energien der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit dient und somit im überragenden, öffentlichen Interesse liegt. Diese Feststellung ist wesentlich für Abwägungen von Interessen im Genehmigungsverfahren, wo die enorme gesellschaftliche, wirtschaftliche und ökologische Bedeutung des Erneuerbaren-Ausbaus bisher noch nicht ausreichend verankert war. Dieses „überragende öffentliche Interesse“ muss von allen Mitgliedstaaten mit Fälligkeit 21.2.2024 in nationalem Recht festgeschrieben sein. Bis heute wurde es nicht in jedem Bundesland übernommen. Ein Drittel der Bundesländer ist säumig.
„Auch im Bereich der Vereinfachung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren lassen sich die Bundesländer Zeit“, ergänzt Florian Stangl. „Von einem One-Stop-Shop für die Genehmigung von erneuerbaren Projekten sind wir noch weit entfernt“. Diese Maßnahme zur Straffung und Konzentration von Genehmigungsverfahren hätte bis 1. Juli 2024 umgesetzt werden müssen, um das gesamte Genehmigungsprozedere transparent und einfach handhabbar für Antragsteller*innen, Behörden und einspruchsberechtigte Parteien auf einer digitalen Plattform zusammenzuführen.
Mehr Mut zum großen Wurf mit einem starken EABG
„Es ist jetzt höchste Zeit das uneinheitliche Herumgrundeln in Bund und Ländern zu beenden“, betont Martina Prechtl-Grundnig. „Bleiben wir bei diesem Bundesländerfleckerlteppich, dann bleiben wir bei den langwierigen Genehmigungsverfahren, die uns bei der Energietransformation enorm bremsen. Um die Energiewende erfolgreich zu realisieren, brauchen wir jetzt einen großen gesetzlichen Wurf, der das Steuer für die Umsetzung der RED III stärker auf die Bundesebene hebt und die Bundesländer adäquat in die Pflicht nimmt. Das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz, das die Bundesregierung noch für den Sommer versprochen hat, muss das erfüllen: Echte Genehmigungsbeschleunigung, Vereinheitlichungen, etwa auch in Naturschutzfragen, über Bundesländergrenzen hinweg und die Ausweisung und Mobilisierung von ausreichend Flächen sind hier unverzichtbar. Es braucht jetzt mehr Mut, sonst wird die Energiewende unter den föderalen Fleckerlteppich gekehrt“.
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