Fachdialog Wärmewende im Recht

Dienstag, 11. November 2025 | FH Technikum Wien

 
 
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Nachbericht

Am 11. November 2025 versammelte der Dachverband Erneuerbare Energie Österreich führende Expert:innen aus Praxis, Recht und Politik zum Fachdialog „Wärmewende im Recht – vom Hemmschuh zum Hebel für den Heizungstausch“.  Vor über 100 Teilnehmer:innen wurden die rechtlichen Hindernisse für die Wärmewende im Gebäudesektor und konkrete Vorschläge zu deren Abbau erörtert bis hin zu möglichen Reformen, die das Wohnrecht von einem Hemmschuh in einen Hebel für die Wärmewende verwandeln könnten.

Zur Eröffnung des Fachdialogs betonten Dr.in Judith Klamert-Schmid, Departmentleiterin Industrial Engineering am FH Technikum Wien, sowie Dr. Gottfried Eder, Studiengangsleiter Klimabewusste Gebäudetechnik ebenda, als Kooperationspartner des Fachdialogs die Bedeutung anwendungsorientierter Wissensbildung und -vermittlung im Kampf gegen die Klimakrise, insbesondere für die Wärmewende. DI Martina Prechtl-Grundnig, Geschäftsführerin des EEÖ wies in ihrer Begrüßung auf die Relevanz zusätzlicher Hebel für den Tausch auf klimaneutrale Heizungen hin, damit der österreichische Gebäudebestand, wie im Regierungsprogramm und auf EU-Ebene festgelegt, tatsächlich bis 2040 klimaneutral werden könne. Die bisherige Stop-and-Go-Politik, aber auch das mehr Planungssicherheit versprechende neue Förderprogramm der Regierung liefen auf eine Verfehlung der Klimaziele hinaus. Zugleich sei in den letzten Jahren das Bewusstsein für die Beseitigung wohnrechtlicher Hindernisse gewachsen.

In ihren jeweiligen Beiträgen Österreichs Wärmewende – Aktueller Stand und Ziele für die Wärmewende: Zwischen Regierungsprogramm und EU-Vorgaben sowie Der österreichische Gebäude- und Heizungsbestand: Ergebnisse des ersten Gebäudereports Österreich lieferten Mag. Christoph Dolna-Gruber und Dr.in Elisabeth Sibille, beide Österreichische Energieagentur (AEA), ein umfangreiches Bild zum aktuellen Stand des politischen und praktischen Handlungsbedarfs für die Wärmewende im österreichischen Gebäudesektor. Auch wenn in den letzten zwanzig Jahren positive Entwicklungen zu verzeichnen gewesen seien, bleibe der Handlungsbedarf durch den hohen Anteil der Haushalte am Energieverbrauch von 61% für Raumwärme und Warmwasser und die noch fortbestehende Abhängigkeit der österreichischen Wärmeversorgung von Gasimporten nach wie vor groß. Der Dekarbonisierung komme dadurch mehrfache Bedeutung zu: wirtschaftlich, politisch und finanziell, nicht zuletzt seien wichtige EU-Richtlinien einzuhalten, die den Weg in die Dekarbonisierung weisen. Für Klimaneutralität bis 2040 brauche es bei Ölheizungen eine jährliche Tauschrate von 25 000 Heizungen pro Jahr, beim Gas liege das Soll bei 47 000. Zugleich sei die Energieeffizienz von Gebäuden in Österreich noch immer eine riesige Baustelle, ebenso wie die Qualifizierung des Handlungsbedarfs aufgrund fehlender Daten. Heutzutage werde thermisch effizienter gebaut, doch der Bestand bleibe wichtigstes Handlungsfeld. 2003 heizten noch 50% fossil, heute bereits um ein Viertel gesunken, dieser Weg müsse fortgesetzt werden.

Die genauen Hürden bei der Dekarbonisierung im Gebäudebestand erläuterte Dr. Wolfgang Amann, Sachverständiger und geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Immobilien, Bauen und Wohnen (IIBW), in seinem Vortrag „Paragraphenstacheldraht am Weg zur Wärmewende: WEG, MRG, WGG, HeizKG“ und ging dabei konkret auf Schwierigkeiten beim Heizungstausch in den Rechtsmateiren Wohnungseigentumsgesetz (WEG), Mietrechtsgesetz (MRG), Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) und im Heiz- und Kältekostenabrechnungsgesetz (HGG) ein. Vorhaben für den Heizungstausch scheiterten im Bereich des Wohnungseigentums oftmals an der fehlenden Zustimmung aller anderen Wohnungseigentümer:innen derselben Gemeinschaftsanlage. Im Mietrechtsbereich hingegen werde der Tausch auf eine klimaneutrale Heizung häufig durch die rechtliche Einordnung als Verbesserungs- statt als Erhaltungsmaßnahme verhindert. Mieter:innen müssten eine solche Maßnahme nicht dulden, zugleich könnten Hausverwaltungen nur eingeschränkt tätig werden, falle doch der Heizungstausch bisher außerhalb des ordentlichen (haus)verwalterischen Regimes. Auch die Kostentragung beim Heizungstausch, bei dem es sich einerseits um eine hohe Investition handelt, die aber andererseits Entlastung bei den Energiekosten verspricht, berühre wichtige juristische Fragen. Wichtig sei in jedem Falle die Debatte um Anreize für den Heizungstausch, ebenso wie das Tätigwerden des Bundes – nicht der Bundesländer! – zur Lösung dieser wohnrechtlichen Fragen.

Die Kompetenz für entsprechende Reformvorhaben liege laut Dr. Michael Aumer, Bundesministerium für Wirtschaft, Energie und Tourismus (BMWET), einerseits beim BMWET, wenn es um WGG und HeizKG gehe. Für Änderungen im WEG, MRG und des EAVG (Energieausweis-Vorlage-Gesetz) sei das Bundesministerium für Justiz zuständig. In seinem Vortrag „Klimafreundliches Wohnrecht… what else?“ zeichnete Aumer das komplexe Gesamtbild der Anforderungen für eine erfolgreiche Wärmewende im Gebäudesektor bestehend aus den verschiedenen Stakeholdern, aus komplexen wohnzivilrechtlichen Entscheidungsstrukturen, technischen Einschränkungen, passender Anreizpolitik usw. Für die Energiewende sei der Gebäudesektor systemrelevant. Umso mehr brauche es Instrumente und Maßnahmen, um das Dilemma der Asynchronizität aus Investitionen im Heute und den Benefits von Morgen aufzulösen.

Weniger gehemmt durch wohnrechtliche Hindernisse hingegen sieht Ernst Bach, Vorstandsvorsitzender und Direktor für Bestandsmanagement der Sozialbau AG, die Umstellung seiner Objekte auf klimaneutrales Heizen und Kühlen. In seinem Vortrag „Genug diskutiert, jetzt ins Tun kommen!" unterstrich er die Wirtschaftlichkeit des Heizungstausches, erläuterte die Co-Finanzierung durch Zuschüsse laut §14 Abs 5a des WGG plus Förderung der Stadt Wien und verwies auf die Halbierung der Energiepreise für Bewohner:innen durch die erneuerbare Wärmebereitstellung. Er plädierte für Strategien zur Umstellung, die mit den Bedürfnissen der Bewohner:innen im Einklang stünden, wie die wenig invasive Zentralisierung von Objekten. Allerdings identifizierte auch er das aktuelle HeizKG als Hindernis, wenn es darum gehe über die Differenz eines Wärmepreises zum eigentlich Energiepreis Refinanzierung zu ermöglichen.

Diesbezüglich nahmen Dr. Christian Kaltenegger, DECA (Dienstleister Energieeffizienz und Contracting Austria), und Dr. Florian Stangl von NHP Rechtsanwälte in ihrem Vortrag „Das aktuelle HeizKG – Perspektive der Energiedienstleister und deren rechtliche Einordnung“ gesetzliche Regelungen zur Abrechnung von Heizkosten genauer unter die Lupe. Sie identifizierten das HeizKG in seiner jetzigen Form als „not fit for purpose“, wenn es um die Dekarbonisierung des Gebäudesektors gehe. Dringender Handlungsbedarf herrsche zur Verbesserung der Rechtssicherheit von Energiedienstleistern, sogenannten Contractoren, als Anbieter von Dienstleistungen zur Errichtung von Wärme- und Kälteversorgungsanlagen. Ihre Leistungen können derzeit laut HeizKG nur selten über einen Wärmepreis rechtssicher abgerechnet werden, Work-Arounds erwiesen sich als unwirtschaftlich, ineffizient und rechtsunsicher.

In der anschließenden Podiumsdiskussion „Rechtliche Hindernisse der Wärmewende – was wünscht sich die Praxis?“ zeichnete Wolfgang Amann mit VDir Ernst Bach, Dr. Christian Kaltenegger, Mag. Hans Jörg Ulreich von Ulreich Bauträger GmbH und Bauträger-Sprecher der WKO, sowie DI Karl Weidlinger, Obmann von Geothermie Österreich und Fernwärmebetreiber, drei wesentliche Probleme aus Sicht der Praxis nach: die fehlende Standardisierung, die Hürden zur (Re)Finanzierung sowie fehlende Anreize zur thermischen Sanierung.

Jedes Projekt müsse derzeit aufgrund der schwierigen Rechtslage als Einzelfall gehandhabt werden. Das sei laut Kaltenegger ein wesentliches Hindernis für die Skalierung, um den Gebäudesektor in der erforderlichen Größenordnung zu dekarbonisieren. Diese fehlende Standardisierung mache sich beispielsweise bei der Kostendeckung bemerkbar. Insbesondere in Gründerzeithäusern, in denen besonders hohe Kosten zur Sanierung anfielen, erweise sich die Refinanzierung durch die Beschränkung des Richtwertmietzinses laut MRG als unmöglich und sei deshalb wirtschaftlich nicht tragbar, schilderte Ulreich. Objekte in Gemeinnützigkeit könnten Sanierungen in Gründerzeithäusern zwar durch eine kostendeckende Miete über dem Richtwertmietzins teilweise refinanzieren, jedoch nur in den ersten 15 Jahren, betonte Bach.

Weidlinger brachte diese Problematik mit dem Zahler-Nutzer-Dilemma auf den Punkt: Während die Sanierung finanziell zulasten des Investors/der Eigentümerin falle, hätte im Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes ausschließlich der Mieter den Nutzen, solange einzig der Richtwertmietzins verlangt werden könne. Ihm zufolge sollte dieser ausgesetzt werden, wenn Energieeffizienz gewährleistet wird, nach dem Motto „Heraussanieren aus dem Richtwertmietzins“. Umgekehrt, so ein Vorschlag aus der Diskussion, könnte der Richtwertmietzins wiederum als Sanktion für nach 1945 errichtete Gebäude zum Einsatz kommen, sollten thermische Sanierungen nicht vorgenommen werden.

Als besonders schwierig erweise sich die thermische Sanierung im Wohneigentum. Die Investitionsbereitschaft sei hier äußerst gering, die Zustimmungsquote eine wesentliche Hürde. Da die Dekarbonisierungspflicht im Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWG) fehlt, könnte die CO2-Bepreisung ein wichtiger Hebel sein, Handlungsbereitschaft auf Seiten der Eigentümer:innen zu fördern.

Aus Sicht Ulreichs könnte allein mit folgenden Maßnahmen ein Boom ohne Förderungen ausgelöst werden: Marktübliche Mieten für Wohnungen im Neubauzustand, Duldungspflichten für thermische Sanierung sowie die Abschaffung der Einstimmigkeit im Wohneigentum bei thermischer Sanierung. Er plädierte für diese Anreize anstelle von Förderungen oder Strafen. Im Regierungsprogramm seien bereits wichtige Aspekte enthalten, die jedoch erst umgesetzt werden müssen. Dafür sei laut Kaltenegger bereits ein gutes institutionelles Setting in Österreich vorhanden, doch es brauche langfristige Finanzierungsmöglichkeiten, um die Kapitalkosten für Wärmegestehung zu decken, sowie die nötigen Anreize um Kapital zu mobilisieren.

 
 

Mag. Gregor Biley von NHP Rechtsanwälte zeigte in seinem Vortrag „Wärmewende leicht gemacht?  Aktuelle Probleme und mögliche Lösungsansätze für Bestand und Neubau“ auf, wie die bestehende Rechtslage verbessert werden könnte. Einerseits könnten bereits Einzelmaßnahmen Fortschritte erzielen: Durch eine Zustimmungsfiktion könnte die Hürde der Einstimmigkeit im WEG genommen werden. Betretungsrechte, wie sie im Vollanwendungsbereich des MRG gelten, könnten auch in Teilanwendungsbereich für sinnvolle klimapolitische Maßnahmen zum Einsatz kommen. Ebenso könnte das HeizKG durch die Schaffung einer neuen Kategorie „erneuerbare Versorgungsanlagen“ angepasst oder aber Regelungen des WGG, also aus der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft, in die freifinanzierte und damit in das MRG übernommen werden, um die Refinanzierung der erneuerbaren Versorgungsanlage sicherzustellen. Die Alternative zu den Einzelmaßnahmen wäre ein einheitliches, wohnrechtsübergreifendes Dekarbonisierungsmaßnahmen-Begleitgesetz, das in den Geltungsbereichen Anwendungsvorrang vor WEG, WGG und MRG hätte.

Zu guter Letzt diskutierte Wolfgang Amann unter dem Titel „Der Wärmewende den (rechtlichen) Weg ebnen“ mit Dr. Michael Aumer (BMWET), DI Adolf Melcher, Geschäftsführer der KELAG Energie & Wärme, Mag. Rudolf North, Fachverbandssprecher der Immobilien- und Vermögenstreuhänder der Wirtschaftskammer Österreich sowie Mag.a Priska Lueger, Wirtschafts- und Energiereferentin der Bundesarbeiterkammer und der AK Wien.  Sie gingen der Frage nach, ob es einen großen umfassenden Gesetzesvorstoß brauche oder ob viele kleine Schritte den Weg ebnen können. Ein Wärmewendegesetz, oder wie Lueger betonte gar ein Wärmewirtschaftsgesetz unter zusätzlicher Berücksichtigung der Konsument:innen, könnte für alle Beteiligten Rechts- und Planungssicherheit gewährleisten.  Melcher plädierte vor allem für Stabilität in den Rahmenbedingungen. Dazu müsse in der zukünftigen Gesetzgebung Berücksichtigung finden, dass bei der Energietransformation die Investitionskosten den Energiekosten gegenüber vorerst stärker ins Gewicht fielen. North betonte die Notwendigkeit dieser Investitionen im Angesicht der Klimakrise. Er sah Handlungsbereitschaft im Wohneigentum vor allem dort, wo Investor und Nutznießer in eins fielen. Als Fachverbandsvertreter verwies er auf den notwendigen Spielraum für Hausverwaltungen, den es bei thermischer Sanierung brauche. In der WKO sei deshalb auch Bereitschaft für ordnungspolitische Maßnahmen vorhanden.

Weiters ging es um politische Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse für die Umsetzung der Wärmewende, darunter ein Bund-Länder-Dialog zur gemeinsamen Ausarbeitung von Gesetzesvorlagen, die bessere Einbindung der Bevölkerung durch Information, Transparenz und auf neuen Kommunikationswegen. Nicht zuletzt müssten Lueger zufolge diese Bemühungen aber auch mit einem überparteilichen Konsens einhergehen, der die Energiewende bei allen kontroversen Einzelfragen dennoch zu einer glaubwürdigen gemeinsamen Unternehmung mache. Das Knowhow für Lösungen sei jedenfalls vorhanden, so Aumer. Dabei habe vor allem der russische Angriff auf die Ukraine eine hohe Dynamik beim Heizungstausch ausgelöst, positive Botschaften hätten oft nicht den gleichen Effekt, berichtete Melcher. Er hob hervor, dass weitere Verzögerungen letztlich Auswirkungen auf Kapitalverfügbarkeit und Finanzierungskosten zeitigen. Wenn die Bedingungen für die Energietransformation nicht stimmten, dann könne letztlich auch der wirtschaftliche Mehrwert durch lokale, regionale und nationale Wertschöpfung nicht abgeholt werden. Derzeit, so der Tenor am Podium, hake es an vielen Gesetzen, die einzelne Teilbereiche regeln und noch dazu oftmals in die falsche Richtung wiesen, jedenfalls nicht in Richtung Klimaneutralität.

Martina Prechtl-Grundnig bedankte sich zum Abschluss des Fachdialogs „Wärmewende im Recht“ bei allen Beteiligten für ihre hochkarätigen Beiträge und den fachlichen Austausch und Dialog. Sie erinnerte daran, dass viele der erwähnten Maßnahmen bereits im Regierungsprogramm verankert seien und jetzt ihrer Umsetzung harrten.

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Eine Veranstaltung des EEÖ in Kooperation mit dem FH Technikum Wien. 
Fotocredit: EEÖ